Klimaschutz wird aus Schrott gemacht

Eine Studie des Fraunhofer-Zentrums zum Stahl-Schrottbonus
Der „Schrottbonus“ liefert ökologische wie ökonomische Vorteile, vermeidet lokale Umweltbelastungen und schont endliche Ressourcen. Die Fraunhofer IMWS-Studie empfiehlt daher die vollständige Übernahme des Stahl-Schrottbonus in den europäischen Emissionshandel. Verschärfte Klimaziele, die umfassende Revision des EU-ETS, ab 2026 ein Preis auf CO2-Emissionen ausgewählter importierter Produkte statt kostenlose Emissionsrechte – der „Europäische Grüne Deal“ als Wachstumsstrategie der Europäischen Kommission stellt insgesamt neue politische Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb dar. Und zugleich Herausforderungen an die Gesellschaft, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten.

Verantwortlich für die von der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) in Auftrag gegebene Studie ist Prof. Dr. Frank Pothen, zur Zeit Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Bis Oktober 2021 leitete er die Außenstelle des Fraunhofer-Zentrums für „Internationales Management und Wissensökonomie“ (IMW) in Halle. In seiner Fraunhofer IMWS-Studie „Schrottbonus“ stellt er 2019 die Vorteile durch CO2-Einsparung beim Einsatz des Rohstoffs Schrott im Vergleich zur Herstellung von Stahl aus Erzen in Euro dar. Er sieht vor allem den „Schrottbonus“ als Chance – für die
Branche und die Gesellschaft gleichermaßen.

Schrotte sind ein unverzichtbarer Rohstoff der Stahlherstellung. 2018 wurden in der EU 93,8 Mio. Tonnen hochwertiger Schrott (D: 19 Mio.  t) eingeschmolzen, um daraus neuen Stahl zu erzeugen. Das entspricht jeweils etwa der Hälfte (EU: 56 %; D: 44 %) des Rohstoffeinsatzes. Prof. Dr. Pothen kommt in der Studie zum Ergebnis, dass der Einsatz von Schrott als Rohstoff der Stahlproduktion Treibhausgasemissionen in erheblichem Umfang reduziert. Es würden lokale Umweltbelastungen vermieden und endliche Ressourcen geschont. Somit trage der Schrotteinsatz entscheidend zum Schutz des Klimas bei. Mit den Umweltschutzwirkungen des Schrotteinsatzes seien ebenfalls ökonomische Vorteile verbunden. Diese gesellschaftlichen Vorteile, die mit jeder Tonne Stahlschrott verbunden sind, werden als „Schrottbonus“ bezeichnet – und liegen zwischen 80 Euro und 213 Euro pro Tonne Kohlenstoffstahlschrott, für Edelstahlschrott bei 158 Euro bis 502 Euro.

Im Forschungsprojekt „Schrottbonus Konkret“ wird untersucht, inwieweit die europäische Klimapolitik den Schrottbonus in den Preismechanismus integriert und wo Lücken bleiben, die einem fairen Wettbewerb im Weg stehen. Um diese Lücken zu schließen und Anreize für eine effiziente wie klimafreundliche Stahlherstellung zu schaffen, schlägt die Studie mehrere Handlungsempfehlungen vor: Das Vermeiden von Umweltbelastungen müsse belohnt werden; die Politik müsste die Zuteilung von kostenlosen Zertifikaten an den Schrotteinsatz koppeln. Es brauche verpflichtende Schrotteinsatzquoten, ebenso müsste der Bergbau in das EU-ETS integriert werden, Rohstoffe wie Vorprodukte im CBAM berücksichtigt und Schrottexporte nicht behindert werden. Exporte und indirekte Emissionen im CBAM sollten überprüft und berücksichtigt werden.

Für einen fairen Wettbewerb zwischen den Rohstoffen der Stahlherstellung, aber auch auf dem Stahlmarkt, sollten Marktpreise die gesellschaftlichen Vor- und Nachteile der Rohstoffe widerspiegeln. Prof. Dr. Pothen empfiehlt die vollständige Übernahme des Stahl-Schrottbonus in EU-Emissionshandel. Der Schrottbonus solle im Preissystem „internalisiert“ werden. „Klimaschutz wird aus Schrott gemacht“, lautet sein Credo.

Autor: Pascal Hesse

Autor: Pascal Hesse

Freier Journalist und Publizist

Pascal Hesse ist freier Journalist und Publizist. Er schreibt u.a. für die Wochenzeitung DIE ZEIT, das Süddeutsche Zeitung Magazin, BILD, das Magazin FOCUS sowie bundesweit für verschiedene Lokal- und Regionalmedien. Seine Themen sind meist investigativ – aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Essener gehört dem WDR-Rundfunkrat sowie dem Verwaltungsrat der Verwertungsgesellschaft Wort (VG WORT) an.

Fotos / Bildnachweise

  • Foto Pascal Hesse: Udo Geisler
Call Now Button